stop.spot!
STOP.SPOT! Festival – Tag 3 (in der Kapu)
Bereits zum fünften Mal findet heuer das biennale STOP.SPOT! Festival in Linz statt, zum ersten Mal jedoch wird der Standort OFFENES KULTURHAUS um den Spielort KAPU erweitert.
An drei Tagen – von 23. bis 25. Oktober – stöbert das von Anatol Bogendorfer und Andreas Mayrhofer kuratierte Festival an den Randzonen der Popkultur. Entlang einer großen Auswahl von internationalen Bands, ebenso wie Vorträgen und vereinzelten Installationen nähert man sich bei Stop.Spot einem bestimmten Thema. Kulturtheoretische Ansätze werden dort genauso kurzweilig aufbereitet, wie versucht wird, ein Musikprogramm zu erstellen, das durch Vielfalt und stilistische Heterogenität besticht.
Das Thema der Ausgabe 2009 behandelt die Beziehung zwischen Text und Musik. Ein uraltes Thema, das seitens der Kritik aber entweder bei Bob Dylan aufhört, oftmals nur bei gewissen Musiktextern aufgegriffen wird („Der Distelmayer-Effekt“) oder nur bei vereinzelten Genres (HipHop) oder gar nur wegen des Schock-Effekts („I kissed a girl“) eine Rolle zu spielen scheint.
Bei den HörerInnen stößt die Frage – Hörst du auch auf die Texte? – auf unterschiedlichste Reaktionen. Fans, die den Angehimmelten an den Lippen hängen und Trost, Lebensfreude wie Lebensinhalte in ihren Worten (wieder)finden; Menschen, denen weder der Inhalt der Texte, geschweige denn die Qualität der vermeintlichen Poesie wichtig ist; dazu kommen Phänomene wie Paratexte (z.B. Linernotes) oder Misheard Lyrics.
Ebenso gegensätzlich erweisen sich auch die Zugänge der Kreativen selbst. Einem Musikschaffen, das in der Hierarchie der Entstehungsabläufe den Textinhalt voranstellt, stehen Bands gegenüber, denen Lyrics nur ein notwendiges Übel sind. Konsequenter als die Herangehensweise des „Ich will jedenfalls singen, weiß aber nicht was ich sagen will“ erscheinen in diesem Zusammenhang diverse Formen einer textlosen Instrumentierung (z.B. Club-Sounds, Post-Rock) oder dadaistisch anmutende Vokalarbeiten.
Mit dem noch inoffiziellen Untertitel „What the fuck are they singing about?“ greift STOP.SPOT! einige Aspekte dieses Themas im Programm auf. Bands wie THE PAPER CHASE, CARLA BOZULICH, THEMSELVES, FANG DEN BERG dürfen schon mal verraten werden…
In der KAPU gastieren am dritten Festivaltag HAYMARKET RIOT aus Chicago.
Sie sind wie Schweizerkracher, die ins Feuer geworfen wurden. Man weiß nie genau, wann sie explodieren. Die vier Mitglieder entspringen der zweiten Welle der Chicagoer Noise Szene und spielten u.a. in legendären Bands wie SWEEP THE LEG JOHNNY, BIG´N, NEUTRINO oder GAUGE. Musikalisch haben sie mit der neuesten Platte „Endless Bummer“ ein kleines Meisterwerk hingelegt; punkROCK wird hier klein- und großgeschrieben. Unmoderne, aber zeitlose Riffs werden sehr kreativ zu großen Songs arrangiert, während Ausnahme Drummer Brian Wnukowski die Sieben gerade schlägt. Lyrisch sind HAYMARKET RIOT deshalb sehr interessant, weil Sänger Kevin J. Frank weder die Abstraktionsform noch eine besonders metaphorische Sprache benutzt um über konkrete Inhalte zu singen. Vielmehr entwirft er zuerst lebensweltliche Szenarien um sie dann in eine kryptische Sprache zu verpacken und dem Hörer vors Gedankenhaus zu stellen. Haymarket Riot als Ganzes klopfen ganz laut an die Tür!
Johannes Ullmaier (D)
Vortrag: Paratexte im Pop
Was Gerard Genette in seinem Literaturwissenschaftsklassiker "Paratexte" für die Welt der Literatur gezeigt hat, nämlich daß gerade jene Texte, die nicht zum 'eigentlichen' Werk gehören, sondern es 'umranken' (Klappentexte, Titel, Motti, Kommentare, usw.), die Rezeption eines Buches weitaus stärker bestimmen, als man gewöhnlich meint, das gilt für klassische Popveröffentlichungen mindestens genauso: Von der Dankesliste bis zur versteckten Botschaft auf der Auslaufrille transportier(t)en Schallplatten und CDs oft weitaus mehr als nur 'pure Musik' - was umso deutlicher wird, je mehr die alten Formate infolge des Internet zersprengt (und teils schon wieder zu neuen Werkeinheiten zusammengefügt) werden.
Der Vortrag liefert eine kleine Typologie der traditionellen Paratext-Gattungen und fragt, welche Text-Pop-Verbindungen für die Zukunft zu erwarten sind.